„Wenn du dich auf der Seite der Mehrheit wiederfindest, ist es Zeit innezuhalten und nachzudenken.“
– Mark Twain-

Muss ich mein Kind so erziehen, wie die anderen es machen?
Es gibt so viele Erziehungsstile und es wird nirgends so stark verglichen und nach links und rechts geschaut, wie beim Thema Erziehung. Es gibt so viele Angebote, die du als Mama mit deinem Kind wahrnehmen kannst. Es gibt so viele Regeln und Empfehlungen, so dass es schwer wird sich in dem ganzen Dschungel zurecht zu finden. Die Frage ist, ob das überhaupt nötig ist. Was ist, wenn deine innere Stimme, dir ganz klar eine Richtung vorgibt, die du gehen solltest, dein Verstand jedoch sagt, dass es nicht richtig sein kann, deinen Weg zu gehen, schließlich machen die anderen das doch auch nicht. Was ist, wenn es schief geht, dann bist du dafür verantwortlich, dass du evtl. deinem Kind Schaden zugefügt haben könntest.
Du fragst dich jetzt bestimmt um welchen Themenbereich es hier geht. Und ich sage dir um jeden einzelnen Themenbereich, um jedes Alter deines Kindes. Es beginnt bei den vielen Kursen mit Baby von PEKIP, über Babyschwimmen, über Babymassage oder sonstiges.
Später dann Musikförderung, Tanzzwerge, etc. Es geht darum, ob du alles mitnimmst und ernst nimmst, was dir gesagt und empfohlen wird und was andere dir sagen, oder ob du dieser leisen Stimme in dir vertraust, die dir immer wieder zuflüstert, dass dein Kind dieses und jenes nicht braucht. In kleinen Dingen, genauso wie in großen Dingen. Es geht um dein gesamtes Leben als Familie, egal ob mit Partner oder ohne.
Deiner inneren Stimme vertrauen
Es so zu machen wie alle anderen ist nicht immer gut. Ich weiß noch, als ich mit meiner jüngeren Tochter bei der Kinderärztin war, und sie aufgefordert wurde zur Begrüßung oder Abschied die Hand zu geben. Meine Tochter wollte nicht. Und die Ärztin meinte, dass meine Tochter dann kein Gummibärchen bekommen würde, wenn sie ihr nicht die Hand schütteln wolle. Daraufhin habe ich gesagt, dass das gar nicht schlimm sei, denn dann bekäme sie von mir halt zwei Gummibärchen.
Ich will dir mit dieser Erinnerung sagen, dass es nicht darum geht, den Erwartungen der Menschen gerecht zu werden, wenn es bedeutet deine Kinder in eine Position zu bringen, die nicht guttut. Wie sollen unsere Kinder zu eigenständigen, freidenkenden und somit glücklichen Menschen heranwachsen, wenn sie, so wie wir damals lernen einfach nur zu funktionieren und Erwartungen zu entsprechen, die sich innerlich jedoch nicht gut anfühlen.
Es bedarf Mut den eigenen Weg zu gehen. Sehr viel Mut und auch ich bin immer wieder zurückgefallen. Und habe mich teilweise Umständen gebeugt, die ich nicht noch einmal so dulden würde.
Neue Wege gehen
Als meine Tochter in die Schule kam, gab es eine lange Zeit, in der wir alle nicht glücklich waren. Meine Tochter kam mit der Umstellung gar nicht gut klar. Meine Jüngste empfand sogar den Kindergarten bereits als Gefängnis. Die Schule machte das Gefühl nur schlimmer und die Corona Zeit mit den Zwangsmasken taten ihr Übriges dazu. Ich weiß noch als Jules, eine Panikattacke bekam und einfach vom Schulhof rannte und mir hinterherlief. Ich habe sie mit nach Hause genommen. Kinder brauchen das Gefühl, dass du hinter deinem Kind stehst. Es braucht die Ehrlichkeit, es braucht das Gefühl, dass es sich nicht ausgeliefert sieht.
Ich war schon lange nicht mehr mit dem Schulsystem zufrieden. Bereits als meine Große Kummer hatte in der Schule, hatte ich mich über freie Schulen informiert. Wir waren von NRW bis nach Bayern gefahren, um eine Infoveranstaltung einer freien Schule zu besuchen. Ich hätte es ernsthaft in Erwägung gezogen dorthin zu ziehen. Meine Kinder wollten nicht. Sie hatten Angst und waren nicht bereit ihre gewohnte Umgebung zu verlassen.
Ähnliches zwei Jahre später, in dem Jahr als wir das Haus verkauften und mein Exmann und ich uns auch endlich räumlich trennten, hatte Mia die Möglichkeit in einer freien Schule in Bochum zu hospitieren. Wir hatten zu dem Zeitpunkt immer wieder Stress wegen dem Fach Mathe. Sie setzte sich selbst so oft unter Druck, dass ich ihr die Unterlagen wegnahm, weil vor lauter Panik gar nichts mehr ging. Ich brachte sie dann immer dazu mit mir zu atmen und hielt sie ganz fest, damit sie sich beruhigen konnte. Ich war verzweifelt. Die Möglichkeit zwei Wochen zu hospitieren, schien der rettende Strohhalm.
Wie sehr willst du deine Kinder unterstützen?
Die Sache war damals die. Ich hatte kein Auto. Ich bin zu dem Zeitpunkt auch kein Auto gefahren, weil ich eine richtige Panik davor hatte. Und dennoch wusste ich, dass ich eines brauchte, wenn sie die 35 km entfernte Schule besuchen wolle. Und so schilderte ich dem Vater meiner Kinder die Situation und bat ihn darum mir ein Auto zu besorgen. Ein Automatikauto, damit ich meine Tochter nach Bochum fahren könne.
Er hatte dafür 5 Tage Zeit. Und er hat es geschafft mir ein gebrauchtes Auto zu besorgen. Ein Kombi, viel zu groß in meinen Augen, was meine Angst noch anfeuerte. Aber ich konnte nicht wählerisch sein. Es war ein Donnerstag als das Auto bei mir ankam. Ich hatte also bis Montag noch vier Tage Zeit mich mit dem Auto fahren vertraut zu machen und die Strecke abzufahren, damit ich mein Kind sicher und gut nach Bochum fahren konnte.
Vielleicht hast du Angst vor Spinnen oder Angst vor Menschen zu reden. Oder ein anderer Bereich, wovor du wirklich Panik hast, um nachzuempfinden wie ich mich gefühlt habe. Ich weiß, für die meisten ist das Autofahren eine Normalität, aber für mich war es zu dem Zeitpunkt einer meiner größten Ängste. Ich hatte Glück, dass der Vater meiner Kinder ein sehr guter Beifahrer und Lehrer war, weil er lange zeit als Busfahrer gefahren ist und wirklich die Ruhe bewahrte.
Hinter der Angst liegen die Möglichkeiten
Vier Mal sind wir die Strecke hin und zurück gefahren. Erst bin ich nur eine Strecke gefahren. Ich musste immer wieder tief atmen und hatte immer im Blick, dass meine Tochter diese Chance verdient hat. Sie war mein Antrieb über meinen Schatten zu springen. Ich hatte so starke Kopfschmerzen, mein Nacken war so verkrampft und ich hätte so gerne aufgegeben. Aber es ging nicht. Die Vorstellung meiner Tochter wirklich helfen zu können, ihr zu zeigen, dass es Dinge gibt, vor denen man Angst hat und es trotzdem zu tun, brachte mich dazu weiterzumachen. Und ich habe es geschafft. Ich habe sie 14 Tage jeden Tag nach Bochum gefahren.
Heute weiß ich selbst nicht mehr, wovor ich genau Angst hatte. Ich glaube es war das Unbekannte und die negative Verknüpfung mit der Fahrschulzeit, als der Fahrlehrer mich sexuell belästigt hat. Dazu kam, dass auch meine Mutter nie Auto gefahren ist. Als Kind bin ich mit dem Glaubenssatz aufgewachsen, dass Frauen einfach kein Auto fahren und ich war jedes Mal tief beeindruckt, wenn ich eine Frau am Steuer sah.
Der Punkt ist jedoch. Ich habe meine Ängste überwunden. Ich habe alles getan, um meiner Tochter zu zeigen, dass ich ihren Kummer sehe, dass ich nach Alternativen suche und sie ihr biete. Sie hat den Platz an der Schule übrigens bekommen. Ich war heilfroh und dennoch fiel ihre Entscheidung dagegen aus. Interessanterweise hat diese Erfahrung trotzdem dazu geführt, dass die Probleme in Mathe verschwanden und sie in der Schule wie ausgewechselt war.
Die Erfahrung ist es wert
Selbst wenn du nicht das erwünschte Ergebnis erhältst. Die Erfahrung ist es wert, so lange du deinen Kindern zeigst, dass du sie verstehst, dass du sie unterstützt und es zumindest versuchst ihre Belange ernst zu nehmen. Im Bereich Schule zum Beispiel gibt es mittlerweile Freilerner Familien. Es gibt Familien, die sind sogar auf Weltreise gegangen, um das möglich zu machen. Ich habe welche davon kennen lernen dürfen und es ist erstaunlich wieviel Kinder wirklich wissen, wenn sie frei sind in ihrem Lernen. Abschlüsse kann man z.B. auch extern erlangen.
Ich selbst sage meinen Kindern immer wieder, dass es mir leidtut, dass ich nicht noch mutiger sein konnte, noch andere Schritte zu gehen, um ihre Freiheit zu unterstützen. Sie wissen, dass ich nicht auf Schulwissen setze, sie haben mein Verständnis für ihre Gefühle. Dadurch läuft das Schulleben jedoch leichter. Ich verkaufe ihnen diese Zeit nicht als kostbar und wundervoll, wenn sie es selbst nicht so empfinden, wobei die Große mittlerweile gerne geht. Auch das kann ich so stehen lassen.
Schule ist nur ein Bereich. Es soll dir lediglich verdeutlichen, dass es nicht den einen Weg gibt, den alle einschlagen müssen. Es geht nicht darum, dass die Kinder in die Gesellschaft hineinpassen, wenn es ihnen nicht entspricht. Mittlerweile gibt es so viele Menschen, die sich trauen ihre eigenen Wege zu gehen und sich dabei erfüllt und glücklich fühlen. Und ist dieses Gefühl nicht viel wichtiger als die Meinung der anderen?
Es gibt noch andere
Wenn du dich aus deiner Blase löst, in der du dich gerade befindest, weil du merkst, dass du und deine Familie nicht hineinpassen, dann wird es kurzzeitig recht einsam sein. Du steigst aus dem gewohnten Umfeld aus, dass dir zwar Sicherheit geboten hat, aber wenn du ehrlich bist, nicht erfüllt und glücklich gemacht hat. Das macht Angst.
Die andere Seite ist jedoch die. Es finden sich neue Menschen, die wirklich passen und du musst sie nicht einmal suchen. Es passiert einfach. Und du erkennst, es gibt viel mehr Menschen, mehr Familien, die ihr Leben einfach anders gestalten, ihre eigenen Werte vermitteln. Einfach nicht nach links und rechts schauen, um wirklich Familie zu leben. Sie spielen nicht ihre Rollen, sie nehmen sich wie sie sind. Und das ist echte bedingungslose Familienliebe.
Nicht, dass nicht jeder seine Kinder bedingungslos liebt, versteh mich nicht falsch. Aber viele sind in ihren eigenen Druck in der Gesellschaft funktionieren zu müssen, so eng mit ihren Masken verwoben, dass das gesellschaftliche Ansehen wichtiger scheint als die familiäre Lebendigkeit. Und wenn ich mich selbst in meine Maske quetsche, weil es die Welt da draußen nun einmal so möchte, so verlange und erwarte ich auch, dass meine Kinder sich anpassen, egal ob sie das gerade mögen oder nicht. Denn was sollen sonst die Leute sagen?
Ja, das ist jetzt sehr provokant ausgedrückt, aber so kann ich vielleicht ein wenig Piksen und ich war früher nicht anders gestrickt und teilweise erwische ich mich noch heute dabei, wie ich versuche ins Bild zu passen. Aber das wird nichts und macht nur unglücklich. Also bemühe ich mich weiterhin nur ich zu sein und korrigiere immer wieder den Kurs.