„Ich bin nicht auf dieser Welt, um deine Erwartungen zu erfüllen und du bist nicht auf dieser Welt, um meine zu erfüllen.“
-Bruce Lee-

In der Rolle als Mutter müssen wir uns mit sehr vielen Erwartungen herumschlagen. Und da sind noch nicht einmal die Erwartungen mit inbegriffen, die wir an uns selbst stellen.
Es gibt hier zweierlei Ebenen, was Erwartungen angeht. Zum einen die im individuellen Umfeld. Die des Partners, der Eltern, Schwiegereltern, des Arbeitgebers, der Kollegen, der Freunde, sehr viele Erwartungen, die alle mit unserer Rolle als Mutter in Berührung stehen.
Als meine Tochter Mia geboren war, stand die Erwartung meiner zwei Freundinnen im Raum, dass wir uns monatlich weiterhin treffen, um Essen zu gehen. Ich war jedoch nicht mehr für diese Treffen offen. Der Papa von Mia arbeitete immer nachmittags und abends, mitnehmen wollte ich meine Kleine nicht, weil sie ein Schreikind war und alles durchgängig zusammen gebrüllt hätte und ich mir diesen Stress nicht antun wollte.
Ich enttäuschte die Erwartungen und somit war die Freundschaft Geschichte. Nun könnte man sagen, dass wir somit auch keine wirklichen Freunde waren, aber so etwas zeigt sich ja gerade in den unbequemen Momenten. Ich war für solche Aktivitäten auch schlichtweg zu müde.
Gesellschaftliche Erwartungen
Die zweite Ebene ist übergeordnet. Die Erwartungen der Gesellschaft, das sind die Erwartungen, die ein bestimmtes Mutterbild prägen oder im weitesten Sinne Familienbild. Denn es werden auch Erwartungen an die Kinder gestellt. Das geht bei den U-Untersuchungen los.
Es wird erwartet, dass die Kinder etwas bestimmtes in einer bestimmten Zeitspanne erreichen und vorweisen können. Meine Mia konnte die Dinge damals sehr wohl. Sie wollte sie jedoch nicht zeigen oder sich beweisen. Mia fand andere Menschen doof und hatte einfach Angst. Sie sprach dann nicht und zu dem Zeitpunkt stand ich noch nicht über den Dingen. Es machte mich nervös, dass sie nicht brav „funktionierte“.
Die Arzthelferin, die die sprachlichen Fähigkeiten von ihr überprüfen wollte, schickte mich raus und meinte ich solle mal zur Toilette gehen, was das Kind dann in Panik versetzte. Sie weinte und hörte nicht auf. Ich verzeihe mir selbst nur schwer, dass ich das mit uns habe machen lassen. Umso wichtiger ist mir heute die Ermutigung für sich den eigenen Weg zu gehen.
Die U- Untersuchung hatte nicht den gewünschten Erfolg. Später erfuhr ich von Mia, dass die Arzthelferin ihr gesagt hat, dass ich gar nicht mehr wiederkommen würde, wenn sie nicht mit machte. Das traf mich sehr. Und auch Mia hat seitdem immer noch das Aussehen dieser Frau im Kopf. Und meine Große ist mittlerweile 13 Jahre alt.
Erwartungen lassen keinen Raum für neue Wege
Wenn wir alle und alles immer gleich haben möchten, wenn wir allen Erwartungen gerecht werden wollen, dann bedeutet es, dass wir immer jemanden vergessen. Und das ist in den meisten Fällen entweder wir selbst oder die Bedürfnisse unserer Kinder.
Und du bist niemandem etwas schuldig. Es gibt viele Frauen, die bei ihrem Job bleiben, weil sie meinen ihrem Unternehmen etwas schuldig zu sein. Es gibt viele Frauen, die mit ihrem Partner zusammen bleiben, weil sie der Meinung sind, es sei das Beste für ihre Kinder.
Erst wenn du dir selbst treu bist und es dir aus tiefstem Herzen gut geht, dann bist für deine Kinder die bestmögliche Vorbildversion, die du dir vorstellen kannst. Und diese Version gleicht nun einmal nicht immer den gesellschaftlichen Erwartungen.
Welche Strategien können wir also nutzen, um den Erwartungen nicht gerecht werden zu müssen
Punkt 1: Selbstbewusstsein und Selbstreflexion stärken
Es ist leicht daher gesagt das Selbstbewusstsein zu stärken, doch es passiert fließend, wenn du mehr Fokus auf die Selbstreflexion legst. Nicht im Sinne was habe ich falsch gemacht und wo kann ich besser werden. Das führt nur zu Schuldgefühlen und bringt wenig Veränderung. Was bedeutet denn Selbstbewusstsein? Selbstbewusstsein bedeutet, dass du dir deiner Selbst bewusst bist? Und dieses Bewusstsein schulst du, indem du dich erst einmal fragst, was genau sind deine Werte und Normen?
Fragen wie: Was ist mir wirklich wichtig im Umgang mit meinen Kindern? Wenn du z.B. meinst du musst dein Kind dazu bringen in seinem eigenen Bett zu schlafen. Die Außenwelt suggeriert dir, es sei nicht gut für dich oder dein Kind, wenn es bei dir schläft. Dein Herz sagt dir jedoch etwas anderes. Und trotzdem versuchst du immer wieder dein Kind in seinem Zimmer, in das eigene Bett zu stecken. Du fühlst innerlich eine Zerrissenheit und entschuldigest es bei anderen immer damit, dass es einfach nicht funktionieren will, obwohl du es immer wieder versuchst.
In dem Moment, wenn du für dich jedoch klar erkennst, dass du nicht nach deinen eigenen Werten handelst und das du von Beginn an ein Familienbett, auch für längere Zeit vollkommen okay und vielleicht sogar schön finden würdest, könntest du eine bewusste Entscheidung treffen und du müsstest sie nicht einmal rechtfertigen.
Indem du dir deiner Werte bewusstwirst, bekommst du innerlich eine klare Richtung und dann wird dir das Außen egal, weil es sich in deinem Inneren absolut stimmig anfühlt. Du bist dir deiner Selbst bewusster geworden. Somit kannst du deine Vorgehensweise ohne Wenn und Aber selbstbewusst vertreten.
Oft hilft es Tagebuch zu führen oder zu meditieren, um an deine inneren Werte und Überzeugungen heranzukommen. Sie dürfen sich auch immer wieder verändern, je mehr Erfahrungen du gewinnst, umso mehr kannst du jederzeit neu für dich abwägen, was sich stimmig anfühlt. Entscheide nicht so viel aus dem Verstand heraus, sondern mehr aus dem Herzen. Denn umso klarer wird das Bild, wie du als Mama agieren möchtest. Es hilft dabei, bei dir selbst zu bleiben und dir wird mehr und mehr bewusst, dass der Weg der anderen, nicht zwangsweise dein Weg sein MUSS.
Punkt 2: Kritisches Denken fördern
Es mag nicht leicht sein, aber wenn du innerlich spürst, dass du anders „tickst“, dass deine Werte andere sind und du nicht zufrieden bist mit den Umständen, in denen du lebst, dann gehe auf die Suche und überprüfe für dich den Ursprung von gesellschaftlichen Normen.
Wenn du das Schulsystem blöd findest, dann wirst du nach ein wenig Recherche erfahren, dass es zum einen andere Möglichkeiten gibt, dass es Gleichgesinnte gibt und vor allem, dass das Schulsystem den Sinn hat systemtreue „Ja“ sagende Bürger hervorzubringen. Das sind kleine Beispiele, die mein Denken betreffen. Vielleicht ist dein Denken, deine Meinung anders. Jedem das seine!!! Bei unguten Gefühlen gehe einfach auf die Suche und bilde dir deine eigene Meinung.
Punkt 3: Eigene Ziele und Prioritäten setzen
Mach dir bewusst, dass du nicht das gleiche Leben leben musst, wie alle anderen. Es gibt so viele Menschen, die sich in ihrem Alltag eingesperrt fühlen, die einfach dortbleiben, weil sie so groß geworden sind, weil sie Angst davor haben ihrem inneren Ruf zu folgen. So viele Menschen bleiben in einem Job, der sie nicht erfüllt, anstatt zu schauen, was ihnen mehr entsprechen würde. Sie geben sich mit Menschen ab, die sie nerven, nur damit ihre Kinder gemeinsam spielen können.
Erlaube dir dein eigenes Lebenskonzept zu entwerfen. Das geht auch mit Kindern. Ich für meinen Teil habe sehr lange gedacht, ich müsse jetzt die brave Hausfrau und Mutter sein, zu jedem Termin gehen, mich engagieren und zu allen immer nett sein, damit meine Kinder gut behütet aufwachsen. Das ist nicht mein Lebenskonzept. Ich bin selbst hochsensibel, ich muss meinen Raum wahren, damit ich genug Energie und Freude für meine Kinder empfinde. Meine Energie reicht nicht, um jeden Termin zu wahren, zu jedem Elternabend zu gehen, Kuchenverkauf mitzumachen oder sonstige Veranstaltungen, die mir einfach nicht entsprechen.
Du darfst dich also selbst fragen. was sind deine Ziele? Wie willst du dein Leben gestalten? Und dann beginne mit ganz kleinen Schritten. Und überprüfe diese immer wieder und passe sie gegebenenfalls an. Denn erst wenn du Erfahrungen sammelst, weißt du, ob es dir tatsächlich entspricht.
Weitere Strategien liest du kommende Woche in Teil 2
Kommende Woche gibt es weitere Strategien, wie du aus diesem Druck Erwartungen erfüllen zu müssen aussteigen kannst. Sei dir gewahr darüber, dass alles an Veränderung in dir selbst beginnt. Wir richten unseren Fokus immer wieder auf das Außen, geben den Umständen die schuld für unser Wohlbefinden. Das habe ich ebenso sehr lange gemacht. Es hilft dir jedoch nicht aus diesem Druck heraus zu kommen. Die äußeren Umstände werden sich nicht so leicht ändern.
Tauche in deine Innenwelt, verbinde dich wieder mehr mit deinen Wünschen und Zielen und dem Bild, dass deine Kinder dich so lieben, wie du bist. Die Frage ist lediglich wer möchtest du sein?